Rückblick 2017
Immobilien im Risikovergleich mit Obligationen und Aktien
Die gegenwärtig steigenden Leerstände haben das nominale Preiswachstum bei den Renditeliegenschaften noch nicht aufzuhalten vermocht. Bei den Mehrfamilienhäusern stiegen die Preise im 3. Quartal auf 1.6 % an (Vorquartal: 1.0 %). Auf Jahresbasis ist die Preisentwicklung deutlich animierter. Sie stieg von 2.9 % im Vorquartal auf aktuell 4.5 % an. Die wieder aufkommenden Befürchtungen vor einer Immobilienblase relativieren sich beim Betrachten des realen Preiswachstums. Der IAZI-Index SI Investment PR real liegt im 3. Quartal bei 120.5 Indexpunkten (siehe Grafik 1: Preisentwicklung Renditeliegenschaften), was noch weit hinter dem Wert von 1990 zurückliegt. In diesem Jahr vor dem Ausbruch der Immobilienkrise war der Index auf 138.7 Indexpunkte angestiegen.
Anleger haben von den Kurssteigerungen im Aktienmarkt seit der Finanzkrise 2008 profitiert. Ähnliche Kursavancen verzeichneten die Immobilien-Aktien und Immobilienfonds. Dagegen war der Kursverlauf der Obligationen aufgrund der anhaltenden Tiefzinsperiode relativ flach. Wer in der Zeitperiode von 1987 bis 2017 den Maximalverlust und die jeweils tiefste Monatsrendite bei den einzelnen Anlagekategorien kalkuliert, wird feststellen, dass Obligationenanleger mit einem maximalen Wertverlust von -6.8 % und einer tiefsten Monatsrendite von -2 % weniger Risiken eingingen als Immobilien-Aktien- und Aktieninvestoren mit einem maximalen Wertverlust von -19.7 %, respektive -49 %, und einer tiefsten Monatsrendite von -10.1 %, respektive -28 % (siehe Grafik 2: Anlageklassen – Wertverluste und Renditen).
Grafik 2: Anlageklassen – Wertverluste und Renditen
Wohneigentum kaum bezahlbar
In der 10-jährigen Entwicklung der Preise für Eigenheime auf regionaler Ebene verzeichnen Zürich (73 %), Lausanne (64 %), Genf (59 %) und Sion (56 %) noch die höchsten Wachstumsraten. In der 5-jährigen Entwicklung hat sich das Bild bereits völlig verändert. Der Boom ist jetzt in die ländlicheren Regionen abgewandert. So verzeichnet beispielsweise die Region Luzern mit 21 % eine der höchsten Wachstumsraten, während sich in Genf (5 %), Lausanne und Sion (je 16 %) das Preiswachstum merklich abgekühlt hat. (siehe Grafiken 3 & 4: Regionale Preisentwicklungen Eigenheime über 5 und 10 Jahre).
Grafik 3: Regionale Preisentwicklung Eigenheime über 10 Jahre
Grafik 4: Regionale Preisentwicklung Eigenheime über 5 Jahre
Stetig steigende Wachstumsraten beim Wohneigentum haben dazu geführt, dass der Kauf eines Eigenheims sogar für gut Verdienende nicht mehr ohne Weiteres möglich ist. Die regionalen Unterschiede sind besonders markant bei der Wohnfläche. In einer Datenanalyse hat IAZI errechnet, wieviel Wohnfläche mit einem Jahreseinkommen von CHF 120‘000 und Eigenmitteln in der Höhe von CHF 150‘000.— zum jetzigen Zeitpunkt erschwinglich wäre. In Genf müsste man sich mit einer Wohnfläche von knapp 50 m2 zufriedengeben, was in etwa einer 1.5-Zimmer-Wohnung entspricht. Hingegen würde man in Schaffhausen eine Wohnfläche von 155 m2 für dasselbe Geld erhalten (siehe Grafik 5: Wieviel Wohnfläche gibt es für’s Geld?).
Grafik 5: Wieviel Wohnfläche gibt es für’s Geld?
Keinen Spielraum mehr für Erhöhungen der Bestandsmieten
Der IAZI Netto Rent Index weist für 2017 nur noch ein Preiswachstum von 0.5 % bei den Bestandsmieten aus. Für die Vermieter wird es selbst bei Mieterwechsel zunehmend schwierig höhere Miteinnahmen zu generieren. «Durch den sinkenden Referenzzinssatz und eine hohe Bautätigkeit sind die Mieten ziemlich unter Druck geraten», sagt Donato Scognamiglio, CEO von IAZI. In einer kantonalen Betrachtung über ein Jahr haben es Mietpreiserhöhungen nicht über die 1-Prozent-Hürde geschafft, während in den letzten fünf Jahren in vielen Deutschschweizer Kantonen die Mieten in einer Bandbreite von -1.1 bis -5.1 Prozent gesunken sind. Nur in Genf, Neuenburg und Waadt gab es in der gleichen Periode Mietpreiserhöhungen zwischen 4 bis 6 Prozent (siehe Grafik 6: Entwicklung Bestandsmieten Kantone). Im Gegenzug erreichen die Angebotsmieten, d.h. die in den Wohnungsinseraten bezeichneten Mieten, den Höchststand in Zürich mit CHF 312 Miete pro m2. Am günstigsten hingegen sind die Angebotsmieten in der Grossregion Ostschweiz mit CHF 221 Miete pro m2.
Grafik 6: Entwicklung Bestandsmieten (Kantone)
Die Geistersiedlungen sind noch gebannt
2018 werden Immobilieninvestoren weiterhin mit Absatzschwierigkeiten rechnen müssen, und die entstehenden Leerstände werden ihrerseits weiterhin Druck auf die Mietpreise ausüben. Die vom Bundesamt für Statistik gezählten rund 64’900 leerstehenden Wohnungen dürften sich nächstes Jahr erhöhen, denn die Tendenz, in der Peripherie zu bauen lässt sich erst stoppen, wenn die momentan im Bau befindlichen Wohnungen auf den Markt gekommen sind. Zwar gibt es noch keine Geistersiedlungen oder Geisterstädte in der Schweiz; doch die Zeiten sind wohl definitiv vorbei, wo die Wohnungen wie warme Semmeln weggingen, während die Arbeiter erst die Baugrube ausgehoben hatten.
Wo die Ladenhüter von morgen stehen könnten, zeigt ein Leerstands-Risiko-Indikator, den IAZI auf Gemeindeebene berechnet hat. Die Kennzahl kombiniert die publizierten Baubewilligungen mit den existierenden Leerständen in einer Gemeinde. Besonders hohe Werte weisen die Waadt sowie die Kantone Bern und Aargau aus. Dort im Besonderen, wo eine schwächelnde Nachfrage auf eine rege Bautätigkeit trifft. Berücksichtigt wurden Ortschaften mit einem Minimum von 5000 Einwohnern. Die Gemeinde Vechingen nahe der Stadt Bern weist mit 28 den höchsten Risikowert aus. Es folgen der Jura-Hauptort Delémont (11) und Buchs im Aargau mit derselben Kennzahl. Im Vergleich dazu liegt der Indikator bei Zürich bei 0.05. «Die Risiken liegen eindeutig in der Peripherie», sagt Donato Scognamiglio.